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Hier folgen ein paar Eindrücke von unserer Abschlusskonferenz.

Tagung des Projekts „Die Entwicklung der Wiedergutmachung nach dem Holocaust als Lernprozess (Post-Holocaust Remedies)“ zum Thema:

Geistige Eigentumsrechte im Zusammenhang mit Werken, die in Ghettos und Konzentrationslagern entstanden sind.

Gießen. Im Rahmen des von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) geförderten Projektes „Die Entwicklung der Wiedergutmachung nach dem Holocaust als Lernprozess“ (Projekt „Post-Holocaust-Remedies“) veranstaltete der Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Völkerrecht (Prof. Dr. Thilo Marauhn) am 14. Juni 2024 an der Justus-Liebig-Universität Gießen eine Tagung zum Thema „Intellectual Property Rights Related to Works Authored in Ghettos and Concentration Camps“.

Kunst kann ein emotionaler Ausweg sein. Die Dauerausstellung „Spur des Lebens“ in Block 27 des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau zeigt diese Kraft, indem sie die Werke einiger der 1,5 Millionen im Holocaust ermordeten Kinder präsentiert. Diese Ausstellung erzählt auch eine Geschichte des Urheberrechts, die Teil der juristischen Forschung von Prof. Lior Zemer (Dekan der Harry Radzyner Law School, Reichman Universität, Herzliya, Israel) ist. Prof. Zemer hat seine Forschungen zu diesem Thema bereits als Partner des Projekts „post-Holocaust Remedies“ bei der internationalen Sommerschule 2023 des Projekts vorgestellt. Das Urheberrecht an Kunstwerken, Theaterstücken, Musik und Literatur, die von jüdischen Häftlingen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern geschaffen wurden, ist ein Thema, das in der juristischen Forschung bisher unterrepräsentiert war. Dies war für das Projektteam des Lehrstuhls unter der Leitung von Prof. Dr. Thilo Marauhn und Dr. Ayse-Martina Böhringer, dem Hanin Hagjija-Alaoui Soulimani, Marzena Eva Duszynski, Lina Kost, Sabrina Ohm, Finn Luis Reis und Julia Rosenfeld angehören, Anlass, in diesem Bereich Neuland zu betreten und verschiedene Experten aus der ganzen Welt zur Konferenz einzuladen, um die Forschung in einem interdisziplinären Rahmen zu vertiefen.

Prof. Dr. Marauhn eröffnete die Tagung, indem er betonte, dass die juristische Analyse bei diesem Thema an ihre Grenzen stößt, da sie auch eine emotionale Komponente beinhaltet. Dies zeige sich vor allem im starken emotionalen Ausdruck in der Kunst. Alle Gäste bestätigten diese Ansicht und viele Experten gingen in ihren Vorträgen auf die emotionale Bedeutung ein. Prof. Zemer gehört zur dritten Generation der Holocaust-Überlebenden und gab in seinem Vortrag persönliche Einblicke, wie ihn die Kunst der Häftlinge bis heute begleitet, unter anderem durch seinen Sohn, der heute auf seiner Oboe Stücke des jüdischen tschechischen Komponisten Pavel Haas spielt, die Haas im Konzentrationslager schrieb, bevor er 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Prof. Zemer veranschaulichte anhand seines eigenen Beispiels, dass die schöpferischen Persönlichkeiten in diesen Werken weiterleben und die Geschichte somit eine lebendige Realität bleibt. Eliad Moreh-Rosenberg - Chefkuratorin für Kunst in der Museumsabteilung von Yad Vashem - gab ebenfalls tiefe Einblicke in die Kunst und zeigte eine Vielzahl von Werken von Künstlern, die alle während der Gefangenschaft in Konzentrationslagern entstanden sind. Unter anderem analysierte sie die Werke von Felix Nussbaum (einem deutsch-jüdischen Surrealisten). Seine Werke, wie Selbstbildnis mit Judenausweis und Triumph des Todes, thematisieren seine Erfahrungen als Jude während des Holocaust. Die Einblicke in die Arbeit eines Kunstkurators waren für viele der Anwesenden neu und unterstrichen den besonderen interdisziplinären Rahmen der Konferenz. Diesen Rahmen unterstrich auch Prof. Dr. Stefan Peters (Justus-Liebig-Universität Gießen, CAPAZ) mit seiner Forschung zur Vergangenheitsbewältigung im kolumbianischen Friedensprozess. Auch wenn ein Vortrag über den kolumbianischen Friedensprozess auf einer Konferenz, die sich mit der urheberrechtlichen Problematik von Werken, die während des Holocausts entstanden sind, beschäftigt, auf den ersten Blick etwas befremdlich erscheinen mag, so ermöglichte der Vortrag doch eindrucksvolle Vergleiche, die den Diskurs über alternative Regelungen anregten.

Aber auch an juristischen Vorträgen mangelte es nicht. Prof. Dr. Matthias Weller (Institut für Deutsches und Internationales Zivilprozessrecht, Universität Bonn) referierte über die Wende bei der Restitution von NS-Raubkunst und die damit verbundene Reform der deutschen Beratungskommission und Dr. Avraham Weber (Associate Assistant Professor, CUNY, Brooklyn College, NY) hielt einen Vortrag über die Washingtoner Prinzipien zu NS-Raubkunst. Er sprach auch über die Einführung von Soft Law als Mittel zur Herstellung von Gerechtigkeit. Weitere Referenten waren: Prof. Awi Blumenfeld (Director of Shoah Awareness, Historiker, Claims Conference), der einen spannenden Vortrag über die Herausforderungen für die Restitution von Kunst im 21. Jahrhundert 80 Jahre nach der Shoah hielt, Niv Goldberg (Rechtsanwalt) bereicherte die Konferenz mit seinen Ausführungen zum Fall Bruno Schulz und Prof. Dr. Yoram Shachar (ehemaliger Dekan der Harry Radzyner Law School, Reichman University) vermittelte den Teilnehmern einen interessanten Einblick in das Thema, indem er sich auf grundlegende Fragen der kulturellen Rechte und des gerechten Ausgleichs konzentrierte.

Nicht zuletzt markierte sie den Höhepunkt des Projekts „Post-Holocaust Remedies“, das nach 23 Monaten zu einem fruchtbaren und erfolgreichen Abschluss kam.